So bullish war die Stimmung selten. Der indische Generalkonsul B.S. Mubarak verwies auf die stabil hohen Wachstumsraten seines Landes. Die heute am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt überholte zudem 2023 China als bevölkerungsreichster Staat der Welt. Mit 33 Milliarden US-Dollar erreichte das deutsch-indische Handelsvolumen im vergangenen Jahr einen Rekordwert. In Europa ist Deutschland Indiens wichtigster Handelspartner und unter Indiens wichtigsten zehn Handelspartnern weltweit. Punkten kann der Subkontinent zudem mit relativ niedrigen Lohnkosten, politischer Stabilität und der Verfügbarkeit von hoch qualifizierten Mitarbeitenden. Die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens hat sich zudem als IT-Hochburg fest etabliert. Dass Premierminister Modi eine dritte Amtszeit antreten kann, bedeutet für Mubarak zudem Kontinuität und Verlässlichkeit. Der Generalkonsul unterstrich Modis Erfolge, etwa bei der Reform der indirekten Steuern GST und der Digitalisierung.
Gleichzeitig mangelt es nicht an Herausforderungen: Bürokratische Hürden, Korruption und das Steuersystem erschweren den deutschen Investoren in Indien den unternehmerischen Alltag. Und auch die Wunschliste der deutschen Firmen bleibt lang: Handelsabkommen mit der EU, bessere Infrastruktur, Arbeitsmarktreformen, Abbau der Bürokratie. Die Fortschritte in diesen Bereichen werden auch darüber entscheiden, wie sich künftig die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen entwickeln. Rüdiger Schröder, selbst viele Jahre Geschäftsführer eines deutschen Unternehmens in Indien und seit 2021 Senior Vice President bei Maier Vidorno Altios, wies darauf hin, dass laut Reserve Bank of India zuletzt deutlich weniger investiert wurde.
Darüber hinaus muss es der Regierung gelingen, Millionen Jobs für die junge Bevölkerung zu schaffen, um nicht den sozialen Frieden zu gefährden. Aus Sicht von Rajesh Nath, Geschäftsführer des VDMA Indien, würden die Jobchancen von jungen Indern auch steigen, wenn es nach dem Vorbild der deutschen dualen Ausbildung gelänge,
mehr praktische Teile in der Ausbildung zu verankern. Und immer noch ist Indien eine arme Nation. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei durchschnittlich 2730 US-Dollar, in China etwa sind es 13.130 US-Dollar.
Wie sie den Markteintritt bewältigt und die zahlreichen Herausforderungen gemeistert haben und noch meistern, berichteten die Führungskräfte aus diversen Branchen, darunter Bayer, Dr. Oetker, die Maschinenfabrik Reinhausen, die schweizerische Leister Group, Remondis Aqua, Rhenus Logistics und X-ray Systems & Solutions. So unterschiedlich deren Erfahrungen sind, auf einen Nenner gebracht, lautet eine Lessons Learned: When in Rome do as the Romans do. „Man muss in Indien dabei sein, auch um Indien verstehen zu können“, ist etwa Dr. Arnd Nenstiel, Vorsitzender des Ostasiatischen Vereins und Senior Project Lead EU Green Deal bei der Bayer AG Crop Division, überzeugt.
„Qualität ist das beste Rezept“, brachte es Oliver Mirza auf den Punkt. Umgerechnet 66 Millionen Euro will der Geschäftsführer der Dr. Oetker India Pvt. Ltd. im laufenden Jahr umsetzen. Nach der Akquisition des indischen Familienunternehmens Fun Food im Jahr 2009 startete das Bielefelder Traditionsunternehmen auf dem Subkontinent durch und belegt heute im Länderranking der Gruppe den 15. unter 50. Rängen. Zu den wichtigen Erfolgskriterien zählt Mirza ein klar definiertes Konsumentensegment, ein für die Zielgruppe relevantes Produkt, eine klare Distributions- und Preisstrategie. Seine Erfolgsformel: Deutsche Gründlichkeit kombiniert mit indischem Improvisationstalent.
„50 Jahre unter Strom in Indien“. so überschrieb Johannes Altmann seinen Vortrag über die Maschinenfabrik Reinhausen. „50 Prozent der weltweiten Elektrizität fließt durch unsere Produkte“, sagte der Manager Controlling für die Region Mittlerer Osten, Indien und Afrika. Aufgrund des anhaltend hohen Bevölkerungswachstums und der Förderung erneuerbarer Energien zählt Indien für die Maschinenfabrik Reinhausen zu den Zukunftsmärkten schlechthin. Indien sei das Land, für das die höchste Nachfrage nach Strom vorausgesagt werde, so Altmann.
Jeder zehnte der heute 4000 Beschäftigten arbeitet bereits in Indien.
Wird es Indien gelingen, sich vom „Incredible India“ zum „Inevitable India“ zu verwandeln, einem Land, an dem man als Unternehmer nicht mehr vorbeikommt? Beim diesjährigen India Day war der Optimismus zumindest groß, dass es sich beim aktuellen Aufschwung nicht wieder nur um einen kurzfristigen Hype handelt, sondern um einen nachhaltigen Aufstieg.
Eli Hamacher arbeitet als freie Wirtschaftsjournalistin. Zu ihren Fokusthemen gehört Indien.